Eine Woche lang mussten 17 Top-Manager des Flugzeugbau- und Rüstungskonzerns EADS, ehemalige und amtierende, der AMF-Strafkommission hier Ende November Rede und Antwort stehen. Sie alle stehen im Verdacht, Ende 2005 und Anfang 2006 im großen Stil EADS-Aktien verkauft zu haben, obwohl sie bereits von den Problemen der Konzerntochter Airbus mit dem Großraumflugzeug A380 wussten. Das Verfahren der Börsenaufsicht um den mutmaßlichen Insiderskandal geht nun in die vorerst letzte Runde, denn das Urteil könnte bereits in der kommenden Woche fallen.
Dabei steht nicht nur für den Konzern der gute Ruf auf dem Spiel, sondern auch für die AMF. Immerhin ist es für sie das größte Verfahren seit ihrem Bestehen, bei dem es auch um ihre Glaubwürdigkeit geht. In der Vergangenheit wurde ihr immer wieder vorgeworfen, Partei zu ergreifen und nur kleine Fische zu bestrafen, die großen dagegen laufen zu lassen. Ein von der französischen Regierung in Auftrag gegebener Bericht hatte letztes Jahr Reformen vorgeschlagen, die die Eigenständigkeit der Börsenaufsicht bei künftigen Verfahren beschränken würde. Böse Stimmen in Paris behaupten deshalb, dass der Ausgang des Insiderverfahrens darüber entscheiden könnte, ob diese Reformen durchgeführt werden oder nicht.
Ursprünglich hatte die Börsenaufsicht sogar 1200 leitende Angestellte des Konzerns im Visier, die alle im März 2006 Aktienpakete verkauften, kurz nachdem EADS einen Rekordgewinn veröffentlicht hatte und die Aktie an der Börse mehr als 30 Euro wert war. Nur wenige Wochen später trennten sich die beiden EADS-Großaktionäre, die französische Lagardère-Gruppe und DaimlerChrysler aus Deutschland, von 7,5 Prozent ihrer Anteile. Am 13. Juni schließlich gab Airbus öffentlich bekannt, 2007 statt 24 nur neun A380-Maschinen ausliefern zu können. Die EADS-Aktie brach daraufhin innerhalb eines Tages um mehr als 26 Prozent ein.
In einem Bericht kam die AMF im April 2008 zu dem Ergebnis, dass 17 aktive und ehemalige Führungskräfte bei ihren Aktienverkäufen bereits von den A380-Problemen wussten. Ein Berichterstatter der Strafkommission empfahl jedoch in diesem Sommer, die Insidervorwürfe gegen zehn von ihnen fallen zu lassen und sich auf sieben Personen zu konzentrieren. Darunter befinden sich neben dem ehemaligen Co-Chef von EADS Noël Forgeard auch Airbus-Verkaufschef John Leahy sowie der Dresdner Airbus-Chef und Ex-Finanzchef des Flugzeugbauers Andreas Sperl. Airbus-Chef Thomas Enders, sein Vize Fabrice Brégier, die beiden EADS-Großaktionäre Daimler und Lagardère dagegen wurden entlastet. Allerdings ist die Empfehlung des Gutachters nicht bindend.
Die Anhörungen seien sehr ruhig verlaufen, heißt es bei EADS. Positiv sei, dass keiner der Beteiligten einen anderen angegriffen habe. Die Debatten seien sehr intensiv gewesen, meint auch der Anwalt Forgeards, Olivier Gutkès. "Wir haben in viereinhalb Tagen Dokumente mit 40 000 bis 50 000 Seiten durchgearbeitet." Seiner Ansicht nach haben mehrere Zeugen die Verteidigung seines Mandanten gestärkt. So erklärte Mike Turner, Ex-Chef von BAE Systems, ihm sei auf der entscheidenden Sitzung am 1. März 2006 nichts Bemerkenswertes zu Ohren gekommen. BAE war damals Aktionär von EADS und hat seinen Anteil erst im Juni 2006 verkauft. Tom Enders, dem Forgeard seinerzeit einen Machtkampf lieferte, erklärte offenbar, er habe im März 2006 nicht wegen dem A380 auf Aktienverkäufe verzichtet, sondern weil Gerüchte besagten, dass sich Lagardère und Daimler von Anteilen trennen wollten.
Die Unternehmensberatung McKinsey, die Airbus zwischen Dezember 2005 und Juni 2006 bei dem A380-Programm beraten hat, hat nach Angaben von Forgeards Anwalt angegeben, dass niemand am 1. März 2006 hätte wissen können, dass es nicht mehr einholbare Verspätungen geben würde. Ein Briefwechsel zwischen Forgeard und der Bank Edmond de Rothschild, würde zudem belegen, dass er bereits ab November 2005 vorgehabt habe, Aktien zu verkaufen, meint Gutkès. Auch wenn sich die Verteidigung Forgeards nun zuversichtlich zeigt, fürchtet sie dennoch, dass die AMF den ehemaligen EADS-Chef am stärksten bestraft und zum alleinigen Sündenbock machen könnte.
Dennoch wagt derzeit niemand eine Prognose, wie das Urteil ausfallen wird. "Ich hoffe, dass alle 17 Personen bestraft werden", sagt Rechtsanwalt Frederik-Karel Canoy, der EADS-Kleinaktionäre vertritt. Unzufrieden ist er auch mit dem Verlauf der Anhörung, da seiner Ansicht nach ein Anwalt der Beschuldigten versucht hat, durch Kritik an den Ermittlern Druck auf die Börsenaufsicht auszuüben: "Das ist skandalös. Ich hoffe, dass hat für den Anwalt Konsequenzen."
Der Vertreter der Kleinaktionäre sieht in dem AMF-Verfahren allerdings nur einen ersten Schritt, denn parallel dazu hat auch die französische Justiz ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dieses wird von Serge Tournaire geleitet - einem Richter der sich im Kampf gegen das organisierte Verbrechen einen Namen gemacht hat. "Wir werden ihn bitten, nun auch alle anderen Personen, die im Verdacht des Insiderhandels bei EADS stehen, zu verfolgen", sagt Canoy.
Auch Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hofft, dass die Betroffenen saftige Strafen bekommen und dass EADS die entsprechenden personellen Konsequenzen daraus zieht: "Insiderhandel ist kein Kavaliersdelikt". Er sei gleichzustellen etwa mit Bestechung. "Die erste Verkaufswelle ist sicherlich eine Grauzone", meint Kunert im Hinblick auf die ersten Aktienverkäufe Ende 2005. Bei diesen Verkäufen sei es von außen schwer zu beurteilen, ob es sich um Insiderhandel drehe. Aber die zweite Welle im März 2006 rieche schon fatal nach Insiderhandel. Während Kunert sauer ist, dass das AMF-Verfahren so lange gedauert hat, kann der französische Rechtsanwalt Canoy nicht verstehen, dass die deutsche Börsenaufsicht nicht ebenfalls ein Verfahren gegen EADS eingeleitet hat. Ende Januar allerdings will das Landgericht Frankfurt über die Zulässigkeit eines Musterverfahrens, der deutschen Variante einer Sammelklage, entscheiden.
Egal, wie das Urteil der Börsenaufsicht letztendlich ausfallen wird: Das letzte Wort in der Affäre ist noch lange nicht gesprochen, da die Betroffenen in Berufung gehen dürften. Bis zum Abschluss des Verfahrens könnten also noch Jahre vergehen. Mitarbeit: Jan Hildebrand
Source: Mitarbeit: Jan Hildebrand - Unter Verdacht
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